Wir wollen doch nur euer Bestes... - page 1

Wir wollen doch nur euer Bestes …
oder die Physiologie von
Kooperation und Konflikt
zwischen den Generationen.
Ein Vortrag von Nikolaus von Engelhardt* am 28. Juni 2008 im Institut für
Medizin- undWissenschaftsgeschichte der Universität zu Lübeck
Kooperation und Konflikt sowieWahrheit und Täuschung in der
Interaktion und Kommunikation zwischen den Generationen
Die Kooperation und der Konflikt zwischen den Generationen - ist das
Thema meines Beitrags, das ich aus einer biologischen Sichtweise
betrachte. Die sozialenWechselwirkungen und die Kommunikation, die
beimMenschen viel größere Bedeutung haben, sind auch bei den Tieren
relevant, und es ist sicherlich sinnvoll zu überlegen, ob vieles, von dem
wir denken, daß es durch die verschiedenen Kulturen geprägt ist, nicht
auch ganz basale biologische Grundlagen hat.
Konflikte kennen wir seit Anfang der Menschheit schon in den
Beziehungen zwischen Adam, Eva, Kain und Abel. Selbst bei scheinbarer
Kooperation – wenn Eva Adam den Apfel gibt – kann sich dahinter etwas
anderes verstecken, und so wie in dem verführerischen Angebot des
Apfels, muss man sich daher bei jeglicher Kommunikation immer fragen:
Was ist Wahrheit und was Lüge, was ist die eigentliche Absicht? Ähnlich
finden wir imTierreich bei den Interaktionen zwischen den
Generationen nicht nur Kooperation sondern auch Konflikte und nicht
nur Ehrlichkeit sondern auch Täuschung.
Der Pelikan wird im„Physiologus“
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als ein Symbol für Christus
beschrieben, da er nach der Legende seine Brust öffnet und mit dem Blut
seine Jungen, die drei Tage vorher gestorben sind, wieder zum Leben
erweckt und damit die Auferstehung symbolisiert. Die Realität sieht aber
ganz anders als eine solche Aufopferung aus. Pelikane und viele andere
Seevögel, aber auch viele Greifvögel, zeigen alle ein ähnliches Verhalten
in der Kinderstube. Das kleinste Junge wird von seinem Geschwister aus
dem Nest gestoßen und vertrieben, was wir auch als Kainismus oder
Siblizid, als Brudermord bezeichnen. Ganz anders also, als es die Fabel
will, opfert sich auch hier die Mutter keineswegs für die Kinder auf,
sondern sieht ohne Eingreifen zu, wie ihre Kinder sich bekämpfen und
vertreiben bis hin zu deren Tod.
Ein besseres Beispiel dafür, wie Eltern sich wirklich für Kinder aufopfern,
ist der Kuckuck, wo das Kind im Nest von den Eltern unter großem
Einsatz umsorgt wird. Erstaunlich ist dabei allerdings, daß die Eltern in
diesem Fall Angehörige einer anderen Spezies sind, sie sich also für das
fremde Kuckucksjunge aufopfern, ihre eigenen Jungen aber sterben
lassen, obwohl die Vernachlässigung der eigenen Nachkommen
zugunsten der Versorgung einer anderen Art gegen dem biologischen
evolutionären Interesse der Eltern widerspricht. Es ist hochinteressant,
daß jetzt in Japan in den letzten Jahren eine besondere Kuckucksart
entdeckt wurde, die eine ganz neue Strategie entwickelt hat
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. Dieses
Kuckuckskind täuscht mit seinem Flügel den bettelnden Schnabel eines
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1 - Dr. Nikolaus von Engelhardt,
Lübeck, 2008
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